„Zu mir oder zu dir?“ Schneller als gedacht war aus dem Vorhaben, einen kleinen Feierabenddrink zu nehmen, mehr geworden. Es folgte Cocktail um Cocktail, Anspielung auf Anspielung, Kuss auf Kuss – sofern man denn erkennen konnte, wann ein Kuss endete und der nächste folgte… Die nächtliche Fahrt im Taxi wollte kein Ende nehmen. Lauras Herz pochte ihr bis zum Hals, angestrengt starrte sie aus dem Fenster und versuchte, das wissende Grinsen des Taxifahrers zu ignorieren, während die Häuser an ihnen vorbeizogen. Sie kannte die Gegend nicht, hatte längst aufgehört, sich die Straßennamen zu merken. In ihren Ohren rauschte das Blut.
Schließlich legte der Taxifahrer den Blinker ein, fuhr rechts ran. Sie öffnete die Türe. Kühle Nachtluft umfing sie, die Härchen an ihren Armen stellten sich auf. Ihr Begleiter hielt sich nicht lange mit dem Zahlen auf – vermutlich gab er viel zu viel Trinkgeld. Fragend sah sie ihn an, ein lautloses „Wohin?“ hauchend. Er wies wortlos auf die Tür eines Mietshauses, ging voran, schloss auf. Sie folgte ihm.
Als die Lifttür sich schloss, umfing er sie von hinten. Der Geruch seines Aftershaves, vermischt mit Schweiß und Rauch, stieg ihr in die Nase. Die Stoppeln an seinem Kinn kitzelten ihren Hals. Sie schloss die Augen, genoss seine Berührungen. Drehte sich um, seine Küsse erwidern. Der Lift blieb stehen, die Tür öffnete sich wieder. Sie wollte sich von ihm lösen, ihn nach dem Weg fragen, aber er hob sie einfach hoch. Sie schlang die Beine um ihn, vergrub die Finger in seinen Haaren. Irgendwie wankten sie durch den Flur, schließlich stieß er sie mit dem Rücken gegen eine Tür, der Türknauf drückte unangenehm gegen ihre Hüfte. Er fluchte verhalten, während ihre Finger wie von alleine an den Knöpfen an seinem Hemdkragen zerrten.
Schließlich gab die Tür nach – ob ihrem Gewicht oder ob er es doch noch geschafft hatte, aufzuschließen, konnte sie nicht sagen. Sanft stellte er sie ab. Sie nutzte die Gelegenheit, die letzten Knöpfe zu öffnen, ihm das Hemd vom Leib zu streifen. Als er sie erneut umschlang, spürte sie seine Wärme, die starken Muskeln seines Armes…. ihre Finger glitten nach unten, umschlangen seinen Gürtel, zogen daran. Er schien zu verstehen. Mit dem Fuß gab er der Tür einen Stoß und bugsierte sie rückwärts durch die Wohnung. Ihr Blick fiel auf eine ungeordnete Küche, schmutziges Geschirr im Spülbecken, ein Bruce-Springsteen-Poster an der Wand.
Er schob sie durch eine weitere Tür ins Schlafzimmer. Inzwischen stellte auch der Gürtel kein Hindernis mehr dar, Reißverschluss, Knöpfe – und ihre Finger fühlten sein Begehren. Schließlich drückte die Kante des Bettes gegen ihre Kniekehlen. Sanft schob sie ihn zur Seite, sie drehten sich – Laura stieß ihn aufs Bett. Verwundert blickte er zu ihr hoch, grinsend, als sie sich auf ihn hockte, die Beine gespreizt. Seine Hände betasteten vorsichtig ihre Knie, wanderten weiter, schoben ihren Rock nach oben, erkundeten. Sie warf den Kopf in den Nacken, ein wohliger Schauer ging durch ihren Körper. Vorfreude schien ihre Brust jeden Moment sprengen zu wollen. Wie in Trance fiel ihr Blick auf ein kleines Regal über dem Bett. Bücher, ein kleines Radio, eine Figur, weiß mit weißem Helm und einem Gewehr, eine offene Tüte Chips, aus der ein ein rosarotes Gummiband hervorlugte, ein braun-graues Knäuel, zwei schwarze Knopfaugen… Sie stieß einen spitzen Schrei aus.
Unter ihr grunzte es erstaunt. „Was? Ich hab doch noch gar nichts gemacht!“
Und wir alle fragen uns: Wurde sie von seiner Hausratte oder einem ungebetenen Gast überrascht? *g*
Die junge Frau geht ganz schön zur Sache – immerhin fängt sie schon an, ihn zu entblößen, noch ehe sie in seiner Wohnung stehen.
Mit diesem Höhepunkt der Geschichte hätte ich nicht gerechnet.
Freut mich, wenn die Pointe klappt!
(Und ich finde deinen Schluss auf eine junge Frau interessant – habe den Text grad nochmal gelesen, da steht nirgends was über ihr Alter. Haben dich da „Vorurteile“ kalt erwischt? ;) )
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