In stockfinstrer Nacht

Licht flammte auf und drang erbarmungslos durch ihre Lider, verwandelte die Welt ihrer Träume in ein blutrotes Meer. Ein unwilliges Brummen entfuhr ihr, sie hob reflexartig den Arm, um ihre Augen zu beschatten – vergebens. Das Licht war überall, der Schlaf dahin.

Sie blinzelte angestrengt, konnte aber durch den unerwarteten Lichteinfall nichts erkennen.

„Schatz!“ Von irgendwoher drang die Stimme ihres Gatten lautstark an ihr Ohr. „Schatz!“

„Was ist?“ Sie setzte sich auf, die Decke schützend an die nackte Brust gepresst, und zwang sich, die Augen offen zu halten. Langsam gewöhnte sie sich an die plötzliche Helligkeit, einzelne Schemen zeichneten sich vor ihr ab – sie war sich sicher, den Schrank zu sehen und die hässliche Lampe, die ihre Schwiegermutter ihnen vermacht hatte. Doch dann machte der Schrank einen Schritt auf sie zu.

„Komm schnell!“ Ihr Mann besaß erstaunliche Ähnlichkeit mit der scheußlichen Lampe. Eine beunruhigende Hektik lag in seiner Stimme.

Sie rieb sich die Augen, schwang die Beine über den Rand des Bettes. „Was ist?“ Sie warf einen Blick auf den Wecker. Es war kurz nach Mitternacht. Was war…?

Ein schrecklicher Gedanke kam ihr. Die kaputte Sicherung, die sie letzte Woche notdürftig mit einem Nagel repariert hatten… Sie war doch nicht etwa?

„Die Kinder!“ Im Bruchteil einer Sekunde war sie hellwach. Sie sprang auf die Füße, trat zu dem Stuhl, auf dem die Wäsche vom Vortag lag.

„Später – erst du!“ Er packte sie beim Arm. „Komm, schnell!“

Widerwillig ließ sie von der Kleidung ab, hüllte sich in die Decke und ließ sich von ihm durch das Haus ziehen, den Flur entlang, die Treppe hinab.

„Aber die Kinder…!“, wollte sie ausrufen, doch da nahm er eine fatale Wendung – weg von der Haustür, hin zu seinem Arbeitszimmer.

Ein furchtbarer Gedanke befiel sie – und bewahrheitete sich, als sie kurz darauf im kalten, flackernden Schein des Computermonitors standen.

Sein Atem ging schwer, mit zitterndem Finger wies er auf eine bestimmte Stelle auf dem Bildschirm – offenbar hatte er auf einer Art Pfadfinderwebsite gesurft. 35,167 stand da. Und daneben: You won.

„Ich habe gewonnen!“, stammelte er, „Ist das nicht großartig?“

Sie nickte und sah sich ausdruckslos nach der Schreibtischlampe um. Nein, die hatte sie selbst ausgesucht. Sie würde auf eine Gelegenheit im Schlafzimmer warten – mit der Lampe seiner Mutter.

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6 Kommentare zu “In stockfinstrer Nacht

  1. Leibe Fruehstueksflocke,
    ich habe gerade “ In stockfinsterer Nacht“ von Dir gelesen u. will Dir sagen…
    erstmal sage ich Dir, daß Dein Name mindestens genau so schön ist wie deine Geschichte.
    Von der Geschichte bin ich noch ganz befangen – sooo tollllll geschrieben – Spannung pur (einer meiner Gedankengänge beim Lesen war: wieso darf sie nicht erst die Kinder holen, wieso läßt sie es zu, daß er sie daran hindert, was ist da los)
    Meine Gefühle beim Lesen waren mindestens genau so wie bei dem Mann als er seinen Gewinn sah. Ich habe jetzt noch Herzklopfen – so fesselnd, dramatisch u. spannend ist Dein Schreibstil – ich dachte immer nur:
    was ist da passiert, das muß ja etwas furchtbares sein –
    dann das erlösende Ende.
    Es basierte alles auf seiner großen Freude –
    Hut ab, Du hast einen ganz außergewöhnlichen Schreibstil ( wenn ich das so sagen darf als absoluter Neuling in der Runde)
    u. sie, sie bleibt ganz kuhl – zeigt keine außergewöhnliche Reaktion. RESPEKT
    Das wollte ich Dir zu Deiner Geschichte sagen.
    Jetzt möchte ich noch etwas an die „Runde“ schreiben u. hoffe den richtigen Zugang zu finden, den auch der PC ist so ziemlich Neuland für mich.
    sei ganz lieb gegrüßt von grüne Feder

    • Hallo Hannelore,
      vielen Dank für deinen Kommentar! Es freut mich wahnsinnig, dass dir mein Schreibstil so gut gefällt und mein Text dich so eingefangen hat! :D
      Das ist wohl das höchste Lob, das man kriegen kann!

      Lieben Gruß zurück,
      Florian / fruehstuecksflocke

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