Adventskalender 2014: Türchen 17

Eisern klammerten sich ihre Finger um den Tassengriff. Sie wirbelte herum. Lauwarmer Tee schwappte über den Rand, auf Hand, Boden und Bluse.
Vor ihr stand Jochen.
„Ach du bist es.“
„Wer denn sonst?“ Er sah verwirrt aus. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“
Sie winkte ab. „Ich war nur in Gedanken…“
„Gedanken? Woran denn?“
„Nichts.“ Sie drehte sich wieder zum Fenster um, zum Vogelhaus. „Nur die Vögel…“
Jochen trat hinter sie. Sein warmer Atem streifte ihren Nacken, seine Arme umschlangen sie zärtlich. Schwer legte er seinen Kopf auf ihre Schulter. „Die sind aber auch immer wieder ein toller Anblick.“ Während er sprach, kitzelte es an ihrem Ohr.
Sie schwiegen, blickten stumm zum Fenster hinaus. Sahen, wie der Gimpel sich mit einem übermütigen Finken um das Futter stritt und wie beide sich dann gegen eine Horde Spatzen verbündeten. Laura nippte an ihrem Tee, genoss Jochens Umarmung, seine Wärme. Kurz glaubte sie, seinen Herzschlag zu spüren, doch war das angesichts seines dicken Strichkpullovers wohl nur Einbildung.
„Was hast du da?“ Erneut riss Jochen sie aus ihren Gedanken.
„Was meinst du?“ Erst jetzt wurde Laura bewusst, dass sie in der anderen Hand eine kleine Visitenkarte hielt und sie gedankenverloren drehte und wendete. „Elisa Müller, Immobilenmaklerin“ stand auf der Vorderseite, flankiert von Kontaktdaten und einem wenig vertrauenerweckenden Porträt. Der wagemutig-plagiierte Slogan auf der Rückseite machte es nicht besser. „Wohnen Sie noch oder verkaufen Sie schon?“
„Ach das.“ Laura zeigte ihm die Karte. „Ich bin heut deiner Nachbarin begegnet.“
„Elisa?“ Jochen löste seine Umarmung. Laura drehte sich langsam zu ihm um – doch er hatte sich nur gierig der Kekspackung gewidmet, die er augenscheinlich mit ins Zimmer gebrach hatte.
„Ja. Sie hat mich auf dem Nachhauseweg von der Straßenbahn eingeholt und… naja, zugequatscht.“
Jochen steckte sich einen Schokokeks in den Mund. „Womit denn?“, fragte er kauend.
„Sie hat erzählt, dass sie sich freut, dass ein so charmanter junger Mann wie du endlich eine Frau gefunden hat.“
„Aha?“
„Ja. Sie dachte, wir seien verheiratet. Und hat gefragt, ob ich dir heut noch was kochen muss.“
Jochen prustete. Kekskrümel rieselten auf den Teppich. „Das darfst du dir nicht zu Herzen nehmen.“
„Nein?“
„Nein. Als ich vor ein paar Jahren ein vollständiges Iron-Man-Kostüm in der Straßenbahn transportiert habe, machte es monatelang die Runde, ich würde heimlich Roboter bauen und sei gefährlich.“ Er zuckte mit den Achseln. „Dabei war nur mein Auto in der Werkstatt.“

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3 Kommentare zu “Adventskalender 2014: Türchen 17

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