9. Dinner mit Lea (Katharina Rauh)

Es war eine halbe Stunde nach dem vereinbarten Zeitpunkt, als sie kam. Die dunkelblonden Haare zu einem elegantem Knoten verschlungen, mit kirschroten Lippen und tiefausgeschnittenem Kleid sah sie noch viel schöner aus, als auf ihrem Profilbild.
„Hey, du musst Thomas sein“, keuchte sie atemlos und schlang hastig zur Begrüßung einen Arm um seinen Hals.
„Und du wahrscheinlich Lea.“ Er versuchte zu lächeln. Ja, sie war genau sein Typ.
Sie holte ihr Handy aus der Tasche und wischte darauf herum.
„Gehen wir? Ich habe den Tisch auf 19 Uhr reserviert“, versuchte er sie vorsichtig daran zu erinnern.
Sie sah auf und machte ein Gesicht, als wäre es alleine seine Schuld, dass sie zu spät waren. „Klar, lass uns gehen.“
Wenige Minuten später saßen sie in einem superhippen Sushi-Burger-Laden und studierten die Karten.
„Weißt du schon, was du trinken willst?“, fragte er ganz gentlemanlike.
„Himbeer-Holunder-Traum“, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen. „Ich bin hier mindestens zweimal in der Woche.“
Sie kramte in ihrer Tasche. „Macht es dir was aus, wenn ich nebenher ein wenig schreibe? Ich mache bei einer Ausschreibung mit. Morgen ist Deadline und ich habe noch nichts.“
„Klar“, antwortete er verwundert. Sei‘s drum, dachte er sich. Dann würden wenigstens keine komischen Redepausen entstehen, wo er sich bei Dates immer so mega blöd vorkam.
„Fein.“ Sie holte ein klatschrotes Notizbuch und einen Kugelschreiber aus ihrer Handtasche. Gedankenverloren klickte sie ein paarmal und sah ihn dann erwartungsvoll an.
„Wie soll ich anfangen?“
„Keine Ahnung …. Es war einmal?“ Er zuckte mit den Schultern. In Deutsch hatte er immer eine vier gehabt, da fragte sie wirklich den Falschen.
Sie verdrehte die Augen. „Das ist doch wirklich viel zu abgedroschen. Abgesehen davon wird das kein Text für Kinder.“
„Was wird es denn dann?“ Aber er war ja lernfähig …
„Urban Romantasy mit einem Hauch Erotik. Vielleicht ein bisschen Slash.“
Das Wort „Erotik“ ließ sein Kopfkino anspringen. Wenn sie offen für solche Sachen war, dann standen vielleicht seine Chancen gar nicht so schlecht, heute Nacht …
Doch bevor er weiter denken konnte, kam auch schon der Kellner und sie gaben ihre Getränkebestellung auf.
Danach wandte sich Lea wieder ihrem Notizbuch zu. „Ok, den Anfang mache ich dann einfach später. Kümmern wir uns erst einmal um die Charaktere.“ Sie sah nachdenklich an die Decke und sah ihn dann schließlich an, als wäre ihr plötzlich eingefallen, dass er auch noch da war.
„Was meinst du? Fällt dir was ein?“
„Wie wäre es mit einem gut aussehenden jungen Mann und einer dunkelblonden Schönheit, die zusammen eine Sushibar besuchen?“ Er lächelte sie an und versuchte dabei in ihren Ausschnitt zu schauen. Was er sah, machte Appetit auf mehr…
„Ha Ha“, sie verdrehte wieder die Augen und zupfte an ihrem Kleid, sodass der schöne Ausblick verdeckt wurde. Sie beugte sich wieder über ihr Notizbuch. „Aber … wenn er stattdessen ein Vampir ist …. und der heimliche Sohn von Luzifer und der Jungfrau Maria … dann …“
„Was hast du eigentlich noch für andere Hobbys? Ich meine … außer schreiben?“
„Weggehen, shoppen, ins Kino gehen“, antworte sie, ohne aufzusehen. „… und dann wird er auch noch vorn einem Werwolf gebissen und stirbt fast, geht dann zu einer Harpyie, die ihm Dämonenblut injiziert, also ist er dann …“
„Gott-Teufel-Werwolf-Vampir-Dämon? Wird das dann verfilmt, wenn es fertig ist? Dann will ich aber eine Premierenkarte.“
Er konnte bereits sehen, wie sie schon wieder die Augen verdrehte, also lenkte er schnell ein. „Ich mache nur Spaß. Aber wir können ja mal zusammen ins Kino gehen, wenn du magst.“
Sie klappte ihr Notizbuch zu. „Du machst dich lustig über mich!“
„N… nein … ich …“ Es lief ihm kalt den Rücken hinunter. Was hatte er jetzt schon wieder falsch gemacht?
„Ich bin in einer ernsten Schreibkrise und du willst ins Kino gehen. Sag mal geht’s noch?“
Sie warf ihren Kuli und ihr Notizbuch in ihre Handtasche, nahm ihre Jacke und stand auf.
„Sorry, aber wenn du mein Hobby nicht akzeptieren kannst, dann gehe ich.“
Sie warf sich ihre Jacke über und rauschte aus dem Restaurant.
Fünf Sekunden, bevor der Kellner mit den Getränken zurückkam.

 


Auf dieses Dinner der anderen Art hat uns die fabelhafte Katharina Rauh mitgenommen. Mehr von Katharina gibt es auf ihrem Twitter-Account.

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8 Kommentare zu “9. Dinner mit Lea (Katharina Rauh)

  1. Danke für den Schmunzler am Morgen. Die Protas sind gut skizziert und ich sehe sie förmlich vor mir. Thomas kann froh sein, die zur Theatralik neigende Zicke los zu sein. Hoffentlich benehme ich mich, im Falle einer möglichen Schreibkrise, nicht ebenso unmöglich. Lach!

  2. Herrlich! Wo die gute Recht hat, hat sie Recht! So eine Krise muss schon ernst genommen werden <3

  3. Ja! Endlich mal ein Text, der sympathische Figuren – okay, Mrs Deadline ist eher schnippisch – angemessen locker skizziert, ironisch ist ohne denunziatorisch, und der einen akzeptablen Schluss hinkriegt. Und man ist enttäuscht, wenn der Text endet, denn man möchte gerne mehr davon lesen.

    5/5

    NNIN

  4. Awwww… Danke für eure Kommentare. Freut mich, dass der Text so gut bei euch ankommt. :-)

  5. Die Hipsterschriftstellerin, die sich selbst, das Universum und den ganzen Rest viel zu ernst nimmt und der ahnungslose Nichtschreiber, der doch nur „spielen“ möchte.
    Als Fanfictionleser musste ich erst einmal lachen, als bei „Erotik mit ein bisschen Slash“ bei dem Nichtschreiber tatsächlich Vorfreude aufkam. Ich weiß ja, was „Slash“ bedeutet – dein armer Protagonist offensichtlich nicht.
    Hoffentlich gibt es von dir noch den einen oder anderen Gastauftritt auf diesem Blog, ich mag es sehr, wie du diesen Text hier geschrieben hast!

  6. Pingback: Adventskalender im Nornengestöber - Nornennetz

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