Eigentlich konnte Anwyn Blind Dates nicht ausstehen und sie konnte sich auch nicht erklären, wie sie ihrer Freundin Sakia zustimmen konnte, „es doch einfach mal auszuprobieren“. Insgeheim vermutete sie, dass Sakia sie mit irgendeinem Zauber beeinflusst hatte.
Nun stand sie im Empfangsbereich des Restaurants und wäre am liebsten umgekehrt, auch wenn sie trotzdem ein bisschen neugierig war. Unschlüssig spielte sie mit der weißen Blume – eine Tulpe, die sie als Zeichen ausgemacht hatten – und hielt nach ihrem Date Ausschau.
Das Restaurant war voll mit den unterschiedlichsten Leuten. Dicht neben ihr flüsterten zwei Elfenmädchen aus einem anderen Clan miteinander, wahrscheinlich machten sie sich über sie lustig. Die förmliche Ausgehkleidung ihres Clans stand Anwyn einfach nicht und sie fühlte sich unwohl in dem viel zu starren und hellen Stoff. Sie war ein Freund von schlichter Gebrauchskleidung, aber Sakia hatte darauf bestanden.
Weiter hinten sah sie eine Gruppe Oger genüsslich einen großen Braten verschlingen.
Hinten in einer Ecke turtelte ein Menschenmann mit einer jungen Elfe.
Zu ihrer Linken entdeckte sie einen einzelnen Elfen, der gar nicht so schlecht aussah, allerdings konnte sie keine Blume bei ihm entdecken.
Schließlich kam die Bedienung auf sie zu, ein mitleidiges Lächeln auf den Lippen.
„Dein Date sitzt an dem Tisch am Fenster. Tut mir Leid für dich“, erklärte sie und klopfte Anwyn tröstend auf die Schulter.
Anwyn schluckte, als sie das kleine Gänseblümchen sah, das zwischen den großen Fingern des Orks hervorlugte. Großartig, dachte sie, das also war ihr Blind Date.
Es half nichts, nun war sie hier und die Elfenmädchen würden sie sicherlich nur noch mehr auslachen, wenn sie jetzt verschwand. Erhobenen Hauptes schritt sie auf den Tisch des Orks zu und baute sich davor auf. Als er sie nicht beachtete, räusperte Anwyn sich leicht.
Aus seinen Gedanken gerissen blickte er auf und sprang hoch.
„Hallo. Ich bin Goduk“, begrüßte er sie mit einem freundlichen Lächeln, dass aufgrund seiner hervorstehenden Hauer trotzdem angriffslustig wirkte, und streckte ihr die Hand entgegen.
Zögerlich ergriff Anwyn diese und stellte sich ebenfalls vor. Ihre eigene Hand verschwand in der Pranke des anderen. Peinlich berührt setzten die beiden sich und Goduk schlug vor, dass sie erstmal etwas bestellten.
Unsicher, wie es jetzt weiter ging, schwiegen sie und ließen ihre Blicke auf allem ruhen, nur nicht auf einander. Hin und wieder setzte einer der beiden zu einem Satz an, verstummte aber sogleich wieder.
Als schließlich ihr Essen auf dem Tisch stand, riss Goduk sogleich eine große Keule mit den Händen von seinem Braten ab, sodass das Fett nur so spritzte und die Knochen knackten. Er war gerade dabei genüsslich hineinzubeißen, als er Anwyns angewiderten Blick sah. Beschämt hielt er inne, legte das Fleisch zurück, wischte sich die Hände am Tischtuch ab und griff nach dem Besteck. Vor sich hin grummelnd versuchte er ein Stück Fleisch abzuschneiden, aber das Messer war einfach nicht scharf genug. Schließlich warf er es genervt auf den Tisch und zog seinen eigenen Dolch aus der Gürtelhalterung.
Anwyns Augen weiteten sich. „Ist das Obsidian?“
„Äh, ja“, bestätigte Goduk verdutzt und hielt ihr den Dolch hin.
Anwyn nahm ihn andächtig entgegen und drehte ihn vorsichtig in ihren Händen.
„Dolche wie der sind schwer zu bekommen“, murmelte er beiläufig.
„Ich weiß. So ein schönes Stück und du benutzt ihn, um Fleisch zu schneiden“, schalte sie ihn und gab den Dolch zurück.
„Jah. Es tut mir auch in der Seele weh, aber ich habe mein anderes Messer zu Haus gelassen und gedacht, ich brauche es nicht“, gab er geknickt zu.
„Wolltest du mich mit dem Dolch beeindrucken?“, wollte Anwyn verwundert wissen.
„Hat es denn funktioniert?“, fragte Goduk stattdessen und klang ein wenig nervös.
„Er ist hübsch anzusehen, aber um mich zu beeindrucken, musst du schon mit mehr aufwarten“, erwiderte Anwyn herausfordernd.
„Wie wäre es mit einem ganzen Schwert aus Obsidian?“
„Du – Das sagst du doch nur so!“ Anwyn ließ ihre Gabel klappernd auf ihren Salatteller fallen.
„Nein! Zu Hause haben wir ein altes Ritualschwert von einem meiner Ahnen. Es ist aus reinstem Obsidian und Griff und Schneide sind mit Knochen und Diamanten versehen“, versicherte Goduk mit leuchtenden Augen.
„Warte.“ Goduk holte sein Smartphone hervor, das viel zu klein wirkte für seine großen Hände.
Kurz darauf zeigte er Anwyn ein Bild des Schwertes als Teil einer Waffensammlung.
„Wow“, entfuhr es Anwyn erstaunt und sogleich fingen die beiden an, darüber und über andere Waffen zu fachsimpeln und vergaßen dabei fast das Essen.
Bis spät in die Nacht saßen sie da und unterhielten sich. Schließlich war es die Bedienung, die ihr Date beendete und sie zu gehen bat. Vor dem Restaurant verabschiedeten sich die beiden mit einem Händedruck, nachdem sie Nummern ausgetauscht hatten.
„Du bist gar nicht so übel für einen Ork“, neckte Anwyn ihn mit einem aufrichtigen Lächeln.
„Du auch nicht für eine Elfe“, erwiderte Goduk.
Text Nr. 23 unseres #Projekt24-Adventskalenders stammt von der fabelhaften PoiSonPaiNter. Mehr von und über sie findet ihr auf ihrem Blog, auf Facebook und auf Twitter. Wir möchten an dieser Stelle auch auf ihren wunderbaren Choose-your-own-Adventure-Adventskalender hinweisen!
Hallo PoiSonPaiNter!
Ach wie cool! Ein völlig ungleiches Pärchen, das gefällt mir. Sehr schön geschrieben :)
Liebste Grüße
Myna
Dankeschön, freut mich sehr das zu lesen. :D
Aber ich glaube irgendwie nicht, dass die beiden tatsächlich ein Pärchen werden…
Dankeschön, freut mich sehr das zu lesen. :D
Aber ich glaube irgendwie nicht, dass die beiden tatsächlich ein Pärchen werden…
Bitte diese beiden Kommentare Löschen, hab auf’s falsche „Antworten“ geklickt >_<
Sehr schöne Geschichte, zeigt sie doch, das sich manchmal auch Gegensätze anziehen können:)
Dankeschön, freut mich, das die Geschichte gefällt. :)
Wie ich schon Emma geschrieben habe: Ich glaube eher nicht, dass da mehr aus den Beiden wird – zumindest nicht in die romantische Richtung. :D
Ja, manchmal kommt es nur auf die gemeinsamen Interessen an. Ganz egal, was dann daraus wird – oder auch nicht.
Genau, solange man sich versteht ist doch alles andere egal. :)
Nicht mein Genre und „Orks“ erinnern mich stark an „Herr der Ringe“. Das haben unsere Kinder gestern angeschaut. (Nicht so meins, da lese ich lieber.) Auf alle Fälle ist der Grundgedanke deiner Geschichte ziemlich aktuell und das gefällt mir. LG
Danke für deine Rückmeldung, hoffe die Geschichte hat dir trotz des falschen Genres gefallen – und nicht nur der Grundgedanke.
Ich glaube dank Herr der Ringe (sowohl den Büchern als auch den Filmen) sind Orks mittlerweile eine der am weitesten verbreiteten Fantasy-Rassen (neben Elfen/Elben und Zwergen), aber diese Behauptung schiebe ich lieber an die beiden von der Weltenschmiede weiter. ;)
Ich muss aber dazu sagen, dass ich mir Goduk eher wie die Orks aus der Webserie JourneyQuest vorgestellt habe und nicht wie die HdR-Orks, wobei vermutlich auch die WoW-Version ein bisschen mit reingespielt hat (Hauer). :)
Das mit der Aktualität stimmt, über sowas mache ich mir beim Schreiben aber eigentlich keine Gedanken, ich fand es einfach nur lustig eine Elfe auf ein Blind Date mit einem Ork zu schicken. :D
Da es, wie gesagt, nicht mein Genre ist, kenne ich die Webserie JourneyQuest auch nicht. Sorry!
Und ja, die Geschichte hat mir trotzdem gefallen. (Andernfalls hätte ich sie wahrscheinlich nicht zu Ende gelesen.)
Außerdem ist sie flüssig geschrieben und das Kopfkino lief mit. (Und das ist ganz unabhängig davon, ob das nun mein bevorzugtes Genre ist oder nicht.) :)
Das freut mich zu hören. :)
Und das du sie nicht kennst, ist doch vollkommen in Ordnung, wollte es nur erwähnt haben, falls du doch mal reinschauen möchtest bzw. dir ein besseres Bild vom Ork machen möchtest. :)
Deine Geschichte zeigt sehr schön, dass ungleiche Gestalten (Menschen wäre ja unpassend) durchaus Freunde oder gar mehr werden können. Das Einzige, was meiner Meinung nicht passte, war das Smartphone. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich eine bestimmte Vorstellung von einer Welt habe, in der Elfen und Orks leben und ein modernes Gerät wie ein Smartphone hat dort einfach nichts zu suchen.
Danke für deine Rückmeldung, freut mich, dass die Geschichte dir – bis auf’s Smartphone – gefällt.
Wenn man es genau nimmt, gehören Restaurants in denen einem der Tisch zugeteilt wird und man Salatteller bekommt, sowie Blind Dates an sich auch nicht dazu und Orks, die Schwerter nur für Rituale nutzen und sie ansonsten an der Wand hängen haben. ;)
Lustigerweise sind das die einzigen Elemente, die ich mit Absicht so eingebaut habe, um die Geschichte in ein moderneres Setting zu packen, der Rest mit den verschiedenen Ebenen, die einige aus der Geschichte rauslesen, ist einfach so passiert. :D
Pingback: An Update on Writing | Random PoiSon
Pingback: #LoveWritingChallenge – Themes | Random PoiSon
Pingback: Adventskalender im Nornengestöber - Nornennetz