Flink und fröhlich tanzten die Flammen im Kamin und verwandelten das Zimmer in einen Ballsaal des Zwielichts. Licht und Schatten gaben sich die Hand, verbeugten sich, forderten einander zum Tanz, walzten über die Wände und lieferten sich Kämpfe mit den Schergen der Kälte. Langsam wurde es wohlig warm im Zimmer.
Mit einem leisen Klirren fiel der Harnisch zu Boden und Aaron von Ostwald reckte und streckte sich ausgiebig. Ein langer Tag lag hinter ihm, ein Tag voller Gespräche, Absprachen und Politik. Er fühlte sich müde, ausgezehrt, verbraucht. Seufzend ließ er sich in den Lehnstuhl am Kamin sinken.
Lange hatte er zurückgezogen und einsam in der Wildnis gelebt, den Königshof mit all seinen Schmeichlern und Heuchlern gemieden. Doch Graf Ebertel bedrohte das Reich und König Hubbard hatte nach ihm schicken lassen. Widerstrebend, aber pflichtbewusst war er dem Ruf gefolgt.
Morgen schon sollte er losziehen, als einer von Neunen, ausgeschickt, Ebertel zu trotzen …
Poch. Poch. Poch.
Schweres Hämmern an seiner Tür riss ihn aus den Gedanken. Aaron sprang auf, seine Hand fuhr zum Dolch an seinem Gürtel. Wer mochte das sein? Flink wie ein Wiesel huschte er durch den Raum, verschwendete keinen Gedanken an Hemd und Harnisch, sondern öffnete mit nacktem Oberkörper die Tür.
Die Halbschwester des Königs stand vor ihm. „Mylady Atarniél!“
„Aaron! Verzeiht die späte Störung, doch ich musste Euch sehen!“ Barfüßig stand sie vor ihm, ihr rabenschwarzes Haar fiel lose auf ihre Schultern herab. Ein dünnes, rotes Kleid umhüllte ihren filigranen Körper …
… „Moment. Eine filigrane Frau, die schwer an seine Tür hämmert? Nein, das geht nicht.“ Er lehnt sich seufzend zurück, nippt an seinem kalten Kaffee, verzieht das Gesicht. „Außerdem passt das Bild von tanzenden Flammen, die kämpfen, überhaupt nicht zusammen …“
Neun sollten sie sein, ausgeschickt gegen die neun Schergen Ebertels. Ihr Anführer, Nebeltreu, war ein alter Kamerad Aarons. Lange hatte er ihn nicht gesehen, konnte sich nicht ausmalen, was Nebeltreu auf die dunkle Seite gelockt hatte …
Lautes Quietschen riss Aaron aus seinen Gedanken. Er sprang auf, wirbelte herum.
„Aaron!“ Lady Atarniél stand vor ihm, gehüllt in das dünne rote Kleid, das sie abends beim Bankett getragen hatte. Sperrangelweit stand seine Tür offen, kalte Luft strömte in Aarons Kammer. „Mylady!“ Aaron fühlte, wie die Kälte sich seines Körpers bemächtigte, seine Haare sich sträubten. Auch Atarniél ließ sie nicht kalt, sie zitterte, durch den dünnen Stoff zeichneten sich …
„Nein. Zu plump.“ Mehrmals in Folge hämmert er auf die Löschen-Taste.
Ob Ebertel ihm Gold geboten hatte? War es das? Konnten Macht und Reichtum wirklich einen Mann wie Nebeltreu verführen? In ihrer Jugend hatten sie gemeinsam gejagt, gemeinsam den Hintertaler Hain von Goblins gesäubert und um die Hand von Azraél, der schönsten Schankmaid des Landes, um die Wette gefreit …
Klopfklopfklopf.
„Aaron?“
Klopfklopfklopf.
„Aaron?“
Klopfklopfklopf.
„Aaron?“
„Nochmal von vorn.“
Aaron konnte sich kaum vorstellen, dass derselbe Nebeltreu jetzt auf der anderen Seite stand. Würde es zum Kampf kommen? Würde er Nebeltreu besiegen können, Nebeltreu, der all seine Schliche und Kniffe kannte? Wäre er selbst überhaupt fähig, gegen seinen alten Freund in die Schlacht zu ziehen?
Nur einmal hatten sie gekämpft. Aaron hatte Nebeltreu erwischt, wie er mit einer Leiter zu Azraél ins Zimmer gestiegen war. Ineinander verschlungen hatten sie dagelegen, Nebeltreu noch in sein Hemd verheddert, Azraél mit entblößtem Oberkörper und zarten Knospen … sie hatten sich beschimpft, geprügelt. Aus Eifersucht und Stolz. Stundenlang, bis zum Morgengrauen, ohne Sieger. Und dann darüber gelacht.
Eine einzelne Träne rollte über Aarons Wange, versickerte in seinem Bart.
Es klopfte an seiner Tür. Schwerfällig erhob er sich, öffnete.
„Mylady!Womit kann ich Euch dienen?“
„Aaron! Ich musste Euch sehen! Ich …“ Atarniél stockte, blieb verdutzt unter der Tür stehen. „Aaron, weint Ihr etwa?“
„Ich … nein.“ Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Es … es ist nichts …“
„Verzeiht – ich komme später wieder.“ Atarniél drehte sich um, eilte mit schnellen Schritten den Gang entlang. Ein Lufthauch verfing sich in ihrem Kleid und für einen kurzen Moment sah Aaron, dass sie darunter nichts anhatte …
„Heut komm ich auch gar nicht in Fahrt.“ Er knackt mit den Fingern, erhebt sich. „Zeit für frischen Kaffee.“