„Dorothea?“ Laura schob vorsichtig die Tür zu ihrem Zimmer auf.
„Ja?“ Dorothea hockte auf dem Boden und blickte fragend zu ihr auf – aus einer Pose, über die Laura lieber nicht so genau nachdachte.
„Ich wollte ein wenig backen – Zimtsterne, Nussecken und so. Weihnachtskekse“, druckste sie herum.
Dorothea nickte bedächtig. „Klingt nach einer guten Idee – ist ja bald Weihnachten.“
„Ja.“ Laura holte tief Luft. „Ich wollte fragen, ob du vielleicht Lust hast, mitzubacken?“
Dorothea sah sie verwirrt an, dann hellte sich ihre Miene auf. „Ja, klar.“ Sie lächelte. „Ich mache nur noch schnell meine Yoga-Übungen zu Ende. In ein paar Minuten bin ich bei dir.“
„In Ordnung.“
Laura zog die Tür zu und ging in die Küche. Eine Woge der Erleichterung durchlief sie, gefolgt von Nervosität. Seit jenem denkwürdigen Abend war sie nicht mehr mit Jochens Mutter alleine gewesen. Hoffentlich blamierte sie sich nicht und machte alles falsch. Nicht schon wieder…
Sie war gerade dabei, die Zutaten zusammenzusuchen und das Rezept zu studieren, als Dorothea hereinkam. „Wie kann ich dir helfen?“, fragte sie fröhlich.
„Mal sehen…“ Laura runzelte die Stirn und überflog noch einmal das Rezept. „Könntest du schon mal die Eier teilen?“
„Okay.“ Dorothea schnappte sich Schüssel und Eier.
Um nicht untätig herumzustehen, machte Laura sich daran, Mehl abzumessen. Als sie sich zu Dorothea umdrehte, zermatschte diese gerade ein Ei.
„Hoppla.“ Sie lächelte entschuldigend. Den Spuren auf dem Tisch nach zu urteilen war es nicht das erste. „Bin etwas aus der Übung…“
Laura lachte und half ihr.
Entgegen ihrer Befürchtungen war nicht sie es, die sich blamierte – und nach anfänglichen Problemchen arbeiteten Dorothea und sie erstaunlich gut zusammen. Sie kneteten Teig, füllten Förmchen, verzierten Kekse und sangen fröhlich bei Refrains auf dem Oldie-Sänger mit.
Mit mehlverklebten, aber glücklichen Gesichtern schoben sie Blech um Blech ins Rohr.
Bis Dorothea erschrocken ihre Hände in die Höhe hielt. „Mein Ring! Mein Ehering ist weg!“
Laura blickte ratlos auf die Kekse im Backrohr. „Dann wird wohl jemand bald auf Gold stoßen…“
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Adventskalender 2014: Türchen 9
„Was meint sie denn damit?“ Jochen sah verdattert auf die Küchentür, durch die seine Mutter eben verschwunden war.
Laura holte tief Luft, entschied sich dann aber, ihm nicht von ihrer Glanzleistung zu berichten. „Ach, nichts.“
„Okay…“ Er warf einen Teebeutel in eine Tasse und goss sie mit Wasser auf.
Laura sah ihm aufmerksam – und, wie sie hoffte, unerbittlich – in die Augen. „Du hättest mir ruhig erzählen können, dass deine Mutter zu uns kommt.“
„Hab ich das nicht?“ Er nahm sich einen Keks, biss hinein – und verzog das Gesicht. „Verflixt.. Tibetkekse…“
Laura konnte sich das Grinsen nicht verkneifen, wurde aber sofort wieder ernst. „Nein, hast du nicht.“ Sie holte tief Luft. „Und ich stand ziemlich blöd da, als ich ihr die Tür aufgemacht habe – sie wusste, wer ich bin und dass ich bei dir wohne, aber ich hatte keine Ahnung von gar nichts!“
„Nimm dir das nicht so zu Herzen.“ Sie traute ihren Augen kaum, als Jochen abwinkte. „Meine Mutter jettet das ganze Jahr rund um die Welt, von Interview zu Interview und von Story zu Story. Da geht oft etwas schief. Sie ist daran gewohnt, dass nicht immer alles tiptop organisiert ist. Sie ist dir sicher nicht böse, dass du nicht mit ihr gerechnet hast.“
„Bist du dir sicher?“
„Todsicher.“ Jochen hob die Teetasse und nippte vorsichtig daran. „Au, heiß.“
„Ich dachte, sie wäre du.“
Jochen grinste. „So lange du sie nicht mit einem Zungenkuss begrüßt hast…“
„Das habe ich nicht.“ Laura schüttelte den Kopf. „Stattdessen war ich splitterfasernackt.“
Ein leises Klirren ertönte, als die Teetasse auf den Tisch herabfiel und ihren Inhalt auf Jochen verteilte. Wie in einem schlechten Zeichentrickfilm verschwendete Jochen kostbare Sekunden damit, auf seine Hose zu starren, ehe er mit einem Schmerzensschrei aufsprang.
Laura versuchte gar nicht erst, nicht zu lachen.
Damit wären wir wohl quitt…
Adventskalender 2014: Türchen 8
„Vom Flughafen?“, hakte Laura nach, als Dorothea sich wieder beruhigt hatte. „Also kommen Sie… kommst du direkt aus Tibet? Oder war das mit Tibet auch erschwindelt?“, fügte sie mit einem Seitenblick auf die Kekse hinzu.
Dorothea fischte umständlich den Teebeutel aus ihrer Tasse und drückte ihn aus. „Nein, in Tibet war ich wirklich. Ich habe auch wirklich über die Morgenroutine seiner Heiligkeit geschrieben – das soll der Auftakt für eine neue Serie werden – Aufwachen mit den wichtigsten Männern unseres Jahrhunderts.“
„Wow. Klingt aufregend.“
„Ist es auch – und ungemein interessant und erstaunlich, was für Einblicke man kriegt. Die Serie wird sicher ein Hit, auch wenn ich noch nicht weiß, ob ich den Kuschelyeti seiner Heiligkeit wirklich erwähnen soll…“
Laura verschluckte sich beinahe an ihrem Keks. „Kuschelyeti?“
Dorothea nippte ungerührt an ihrem Tee und nahm sich einen weiteren Keks. „Scheußlich, diese Dinger… Ich glaube, ich werde sie an die Vögel verfüttern.“
Laura schüttelte energisch den Kopf. „Nein, das geht nicht.“
„Wieso nicht?“
„Das wäre Tierquälerei.“
Jetzt war es Dorothea, die sich an ihrem Keks verschluckte. Ihr Lachen ging in heftiges Husten über, sodass Laura beinahe ein schlechtes Gewissen bekam.
„Und wohin geht die Reise als nächstes?“ Sie tunkte einen der Kekse in den Tee – vielleicht war der Trockenheit so beizukommen…
„Das weiß ich noch nicht so genau – vielleicht nach Kuba. Aber über die Feiertage mache ich erst mal hier Station.“
Lauras Keks ging unbeobachtet auf Tauchstation. „Sie bleiben hier?“
Sie sah, wie Dorotheas Wangen sich etwas röteteten. „Entschuldige…. ich bin schon wieder mit der Tür ins Haus gefallen. Ich sollte Jochen Stubenarrest geben.“
Der Scherz trug nur mäßig zur Entschärfung der Situation bei. Stubenarrest wird ihn nicht mehr stören, wenn ich mit ihm fertig bin, dachte Laura. Sie umschloss ihre Tasse mit beiden Händen. Der Keks in ihrem Tee begann, sich langsam aufzulösen. Einzelne Krümel trieben an der Oberfläche wie kleine Rettungsboote.
Die Türklingel beendete schließlich das peinliche Schweigen. „Das ist bestimmt Jochen – er hat heute seinen Schlüssel zu Hause liegen lassen.“ Laura wies entschuldigend auf den Schlüsselbund und sauste zur Tür.
Jochen war gerade damit beschäftigt, sich Schnee von den Schuhen zu klopfen. Offenbar hatte er einen Umweg durch den verschneiten Garten genommen. Wusste der Geier, wieso.
„Deine Mutter ist hier.“, begrüßte ihn Laura.
„Dann hat sie ihren Flug ja doch noch erwischt!“ Ein strahlendes Lächeln nahm sein Gesicht ein. „Gestern meinte sie noch, es würde sich vielleicht nicht ausgehen.“ Er streifte schnell seinen Mantel ab und folgte dann Laura in die Küche.
„Mama!“
„Jochen!“ Dorothea stand freudig auf und umarmte ihren Sohn.
„Bleib doch sitzen… ich hole mir schnell eine Tasse. Du musst mir unbedingt erzählen, wie es beim Dalai Lama war!“
Dorothea winkte ab. „Später. Ich werde jetzt erst einmal auspacken und euch alleine lassen. Laura wartete schon sehnsüchtig auf dich.“