22. Erwischt (Britta Bendixen)

Sie kommt zur Tür herein, atemberaubend schön. Sieht sich um, bis sie mich entdeckt. Die Kellner und die männlichen Gäste sehen ihr verstohlen hinterher, als sie mit einem strahlenden Lächeln auf mich zukommt. Ich stehe auf und bemerke amüsiert, wie neidisch mich die anderen Männer mustern.
„Entschuldige, dass ich zu spät bin, meine Mutter hat noch angerufen, sie war mit ihrem Hund beim Tierarzt, doch der kann nicht herausfinden, was ihm fehlt, und obendrein hat ihre Schwester nächste Woche runden Geburtstag und Mama hat noch kein Geschenk und wollte ausgerechnet von mir wissen, was sie ihr schenken soll, dabei kenne ich die Frau kaum.“
Während Janine so vor sich hin plappert, zieht sie sich die elegante Jacke aus, hängt sie über den Stuhl, setzt sich mir gegenüber hin und beginnt, in der Speisekarte zu blättern. „Was nimmst du? Ich glaube, ich bestelle nur einen Salat. Heute Mittag war ich mit einer Kollegin beim Italiener um die Ecke, Spaghetti mit Pesto, die waren superlecker, jedenfalls habe ich deshalb gar nicht so viel Hunger.“
Der Kellner kommt und nimmt unsere Getränkewünsche auf. Als er weg ist, greife ich über den Tisch nach Janines Hand und sehe ihr tief in die Augen. „Also, ich habe einen Bärenhunger. Kein Wunder, der Sex letzte Nacht war unglaublich.“
Sie kichert.
Mein Blick fällt über ihre Schulter zur sich öffnenden Eingangstür. Rasch ziehe ich meine Hand zurück. „Oh Gott.“
Janine sieht mich irritiert an. „Was ist?“
„Darling“, sage ich eindringlich, „was auch immer gleich geschieht, bitte vergiss nicht, dass ich dich anbete.“
Ihre großen blauen Augen blicken mich verständnislos an. Dann steht Sarah auch schon an unserem Tisch.
„Deine Sekretärin sagte mir, wo du bist“, faucht sie. „Du solltest ein bisschen vorsichtiger sein, wenn du beim Betrügen nicht erwischt werden willst.“
„Michael, wer ist diese Frau?“, fragt Janine irritiert.
„Janine, das ist Sarah.“ Ich stocke kurz. „Sie ist … äh …. Ich meine, wir sind …“
Sarah schnaubt. „Na los, sag es ihr, du jämmerlicher Feigling!“ Sie wendet sich an Janine und hält ihr die rechte Hand entgegen. An ihrem Ringfinger glänzt ein schmaler Goldreif mit Diamant. „Damit Sie es wissen, ich bin seine Frau und zu Hause warten unsere beiden Kinder auf ihn. Übrigens sind Sie nicht die Erste, der er erzählt hat, er wäre single.“
Janines Augen werden noch um einiges größer. „Michael, stimmt das?“
Ich winde mich unbehaglich. „Naja, also …“
„Ich fasse es nicht!“ Janine steht abrupt auf. „Du bist genauso ein Arsch wie alle anderen. Auf Nimmerwiedersehen, du elender Mistkerl!“ Sie schnappt sich vor Wut bebend Jacke und Tasche und rauscht aus dem Restaurant.
Wir sehen ihr schweigend nach, genau wie die Gäste und die Kellner. Als sie verschwunden ist, setzt Sarah sich seelenruhig auf ihren Platz und zieht den funkelnden Ring von ihrem Finger.
„Danke, dass du gekommen bist, bevor die Getränke gebracht wurden“, sage ich.
Sie lacht. „Ja, ich erinnere mich noch an den Zwischenfall mit der heißen Tomatensuppe. Wie du siehst, habe ich daraus gelernt.“
Ich verziehe in Erinnerung daran das Gesicht. „Das hat ganz schön wehgetan.“
Sie schmunzelt und verschränkt dann die Unterarme auf dem Tisch. „Warum wolltest du sie eigentlich loswerden? Sie ist doch ganz dein Typ.“
Der Kellner bringt die Getränke und stellt sie vor uns ab. Seine Augenbraue ist indigniert nach oben gezogen, doch er sagt kein Wort über die Szene von eben oder darüber, dass nun eine andere Frau bei mir am Tisch sitzt.
Als er wieder verschwunden ist, beantworte ich Sarahs Frage. „Sie ist eine tolle Frau, rein optisch gesehen. Doch sie redet wie ein Wasserfall. Das kann ich auf Dauer einfach nicht ertragen.“
„Dann ist sie das komplette Gegenteil von Paul. Der spricht gefühlt höchstens zehn Wörter am Tag.“ Sarah nimmt das Weinglas und hält es mir entgegen.
„Morgen treffe ich mich mit ihm. Dann bist du dran. Abgemacht ist abgemacht.“
„Versprochen. Dafür hat man schließlich Freunde, oder?“, erwidere ich.
Mit einem verschwörerischen Lächeln stoßen wir an.

 


Mit diesem tollen Text von Britta Bendixen haben wir bereits den 22. Dezember „erwischt“. Bleiben noch zwei Texte übrig! Mehr von Britta findet ihr auf ihrer Homepage, auf ihrer Facebook-Seite und natürlich auf Amazon.

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21. All you can eat (Alisha Mc Shaw)

Schnaufend setzte Aleyna die Einkaufstüten an der Haustür ab und schloss diese auf. „Heute koche ich ein tolles Abendessen“ hatte sie getönt. Noyan hatte nur belustigt mit den Ohren gezuckt. Ebenso stillschweigend akzeptierte er ihren Wunsch, den Abend in ihrer Heimat zu verbringen. Es war das erste Mal, dass sie zu Hause war, seitdem sich die ihr bekannte Welt einmal komplett gedreht hatte.
Sie trug die Einkäufe in die Küche und machte sich daran, das versprochene Abendessen zuzubereiten. Zufrieden schob sie nach einer Weile alles in den Backofen, wusch sich die Hände und schlenderte ins Wohnzimmer. Ihre Augen wanderten weiter zu Noyan, der vor dem Kamin lag und offensichtlich schlief.
Just da hob er träge ein Lid und musterte sie, bevor er sich aufrappelte. „Na, erfolgreich gewesen?“ Sie hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass er ihr neuerdings wie ein Schatten folgte. Erst nach einer handfesten Diskussion hatte er sie heute allein einkaufen lassen.
„Natürlich!“, erwiderte sie patzig und ließ sich in ihren Lieblingssessel plumpsen. Er folgte ihr, sank vor ihren Füßen zu Boden und bettete den Kopf in ihren Schoß. Wie von allein glitt ihre Hand in seinen Nacken und kraulte ihn. Sie ärgerte sich darüber, wie selbstverständlich sie auf seine Anwesenheit reagierte.
„Was gibts denn zu essen?“, erkundigte er sich, während seine Körperwärme behaglich auf sie abstrahlte.
„Ich mache Steaks mit Ofenkartoffeln und als Nachspeise Vanillepudding“, zählte Aleyna auf, „Apropos Steak. Wie möchtest du deines am liebsten?“
Unter ihrer Hand spürte sie das Vibrieren seines Körpers. Er lachte.
„Wie ich mein Steak am liebsten möchte? Ernsthaft?“
„Ja, warum denn nicht?“ Dass dieser verdammte Mistkerl sich auch immer über sie lustig machen musste.
„Also gut …“ Er seufzte. „Ich esse mein Steak am liebsten roh, blutig und äußerst lebendig.“
Sie zuckte zusammen.
Er entzog ihr den Kopf und sah sie fragend an.
„Du bist so ein Arsch!“
„Was hast du erwartet? Ich bin ein Wolf!“
Wütend sprang sie aus ihrem Sessel und baute sich vor ihm auf. „Du hast ungehobelt und überheblich vergessen! Ist es denn zu viel verlangt, einen Abend lang eine ganz normale Frau zu sein?“ Wütend drehte sie sich um und stürmte in die Küche.
Ja, Noyan hatte Recht, er war ein Wolf. Ein Gestaltwandler, um genau zu sein. Und sie war ebenfalls einer. Und als wäre das nicht schon genug, nein, sie war auch noch etwas Besonderes! Ein Alphatier.
Vor ein paar Wochen war er auf der Beerdigung ihres Vaters aufgekreuzt, hatte diese unglaublichen Dinge über ihre Herkunft offenbart. Seither war nichts mehr wie vorher, deswegen folgte Noyan ihr auf Schritt und Tritt. Weil es seine Aufgabe war, sie zu beschützen. Oh, wie sie es hasste.
Vor der Alphatier-Geschichte war es so einfach zwischen ihnen gewesen. Unkompliziert. Nicht so wie jetzt, wo er ihr ständig unter die Nase rieb, dass er auf sie aufpassen musste.
Wütend über einfach alles deckte sie den Tisch und öffnete den Backofen. Augenblicklich zog der wunderbare Duft von Knoblauch und Basilikum unaufhaltsam durch die Küche. Aleyna hielt inne, sog die Gerüche auf und die Vorfreude auf das Essen beruhigte ihren Herzschlag, besänftigte ihre schlechte Laune
Als die Küchentür aufschwang, fuhr sie herum. Die restliche Wut verpuffte mit einem Schlag, überrascht starrte sie ihn an.
Noyan hatte gestaltwandelt, trug jetzt Jeans und T-Shirt und seine schulterlangen Haare waren zu einem Zopf gebunden. Mit verschränkten Armen lehnte er am Türrahmen und musterte sie.Dann stieß er sich ab und nahm am Küchentisch Platz.
Wortlos servierte sie Steaks und Ofenkartoffeln, ehe sie sich ihm gegenüber setzte.
„Dein Abend, deine Regeln, okay?“, fragte er leise, als sie weiterhin schwieg, und räusperte sich. „Ich bin nun mal ein Wolf und mehr als meine ungehobelte und überhebliche Gesellschaft habe ich nicht zu bieten. Für mich ist diese Situation genau so neu wie für dich.“
Solche Worte aus Noyans Mund kamen fast einer Entschuldigung gleich. Aleyna seufzte leise, ehe sie schließlich nickte und ihm dabei zusah, wie er das Besteck ergriff und sein Steak zerteilte. Der erste Bissen verschwand in seinem Mund und er fing an zu kauen. Noyans Augen weiteten sich. Er sah sie erstaunt an.
Ein Grinsen stahl sich auf ihr Gesicht. „Gut, ne? Und das, obwohl es schon tot ist!“
Sein Schnaufen war die einzige Antwort, doch die Geschwindigkeit, mit der er seinen Teller leerte, sprach Bände. In der Zeit, in der sie mit Mühe ein einziges Steak und eine Kartoffel schaffte, hatte Noyan seinen Teller zweimal nachgefüllt.
Nachdem auch der Nachtisch aufgegessen war, lehnte er sich ächzend zurück und rieb sich den Bauch. „Frag mich nochmal, wie ich mein Steak möchte.“
Irritiert sah sie ihn an. „Bitte?“ Hatte er sie für heute nicht schon genug herausgefordert?
„Du sollst mich fragen, wie ich mein Steak möchte“, wiederholte er leise.
Sie seufzte. „Also gut. Wie möchtest du dein Steak?“
Noyan erhob sich und schob seinen Stuhl um den Tisch herum an ihre Seite. Dann griff er nach ihrer Hand und drückte sie leicht.
„Ich möchte mein Steak mit dir. Und mit niemandem sonst.“

 


Schon der 21. Text! Bald ist Weihnachten! :-)
Diesen Text hat die talentierte Alisha Mc Shaw verfasst. Mehr über Alisha und ihr Schreiben könnt ihr auf ihrer Homepage und auf ihrer Facebook-Seite finden. Außerdem findet ihr hier ihre Amazon-Seite mit ihren bereits erschienenen Büchern.

20. Der Elefant im Porzellanladen (Angela Best)

Ich wusste absolut nicht, was er sich dabei dachte. Wir waren doch keine kleinen Kinder mehr, die sich bei einander entschuldigten, sich die Hand gaben und dann hinter dem Rücken weiter den Hass verbreiteten, den sie für einander empfanden.
Nein, wir trugen unseren Kampf auf einer ganz anderen Ebene aus.
„Könntest du bitte aufhören, mich niederzustarren?“
Eigentlich hatte ich gehofft, dass er bei meinem ultra-tödlichen Blick wirklich einfach so vom Stuhl fiel. Aber das Schicksal vermieste mir auch echt alles. Anscheinend waren wir dazu bestimmt, uns noch eine ganze Weile länger gegenseitig auf den Keks zu gehen. Scheiße.
„Deine Argumentation …“, ich geriet kurz ins Stocken. Der Kerl machte mich rasend. Wie konnte er nur! „… ist alles andere als gut. Ich hoffe, dass ist dir in deinem kleinen Erbsenhirn bewusst. Obwohl, nein, sonst hättest du sie überhaupt nicht durchgezogen.“
Ich war sauer. Und zwar so richtig.
„Bloom, komm schon.“ Er setzte seinen Hundeblick ein.
Seinen verdammten Hundeblick aus seinen scheißperfekten grünen Augen. Unmenschlich grünen Augen. Nein, Bloom, du denkst jetzt nicht an seine Augen!, ermahnte ich mich selbst und merkte zeitgleich, wie die Kette um meinen Hals meine Emotionen widerspiegelte und beständig wärmer wurde.
„Ich werde garantiert nicht so tun, als wäre ich deine verdammte Ehefrau!“, fauchte ich ihn an.
Wir ernteten schon erste irritierte Blicke von anderen Gästen.
Ich war so wütend, dass ich fast vergessen hatte, wo wir uns befanden. Aber eigentlich war es mir egal. Mir entwich ein Knurren. Wie konnte er nur so dreist sein! Schließlich war ich nicht seine Leibeigene, die alles tun musste, was er verlangte. „Ich frage dich das doch nicht, weil ich dich benutzen möchte, sondern weil ich dich wirklich gerne um mich herum hätte, wenn dieses Treffen stattfindet …“
„Du kannst dir dein Treffen sonstwohin stecken!“
„Bloom …“
„Nein!“
„Lass mich doch …“
„Ich. Werde. Nicht. So. Tun. Als. Ob!“, schrie ich ihn nun wirklich an. Die Kette brannte nun förmlich auf meinem Dekolleté. Nicht gut. Mir egal, ob wir nun endgültig im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller anderen Restaurantbesucher standen. Er konnte nicht von mir erwarten, dass ich ihm auch noch dabei half, seinen dämlichen Job auszuüben. Außerdem fühlte ich mich wirklich nicht wohl bei dem Gedanken, dass er sagte, er hätte mich gerne um sich herum. Was hatte er bloß gefrühstückt, dass er seine Scheißideen jetzt auch noch an mir auslassen musste? War ja nicht so, dass wir nicht schon genug zu tun hatten.
„Es geht dir also bloß darum, dass du so tun sollst, als würdest du mich mögen und mich einen Abend lang einmal nicht angiftest, wie du es sonst und auch momentan tust?“
Mist, er nutzte es voll aus, dass ich mit meinen Gedanken abgedriftet war.
„Ich kann dir versichern, dass es mir nicht darum geht. Eigentlich bin ich mir überhaupt nicht mehr sicher, worum es mir wirklich geht, aber das ist jetzt nebensächlich.“ Da, schon wieder! Er verleugnete immer alles, was ihm wichtig war.
„Dir ist bewusst, dass mir sehr wohl auffällt, wenn du immer um den Brei herum redest, wenn dir etwas wichtig ist und deine menschliche Seite zum Vorschein kommt? Manchmal denke ich wirklich, du hast Angst vor deinen eigenen Gefühlen“, stellte ich mit leiser Stimme fest. Ich sah ihn dabei direkt an.
Die widersprüchlichsten Gefühle spiegelten sich auf seinem sonst wie versteinert wirkenden Gesicht.
Ich sah, wie er versuchte, den Kloß in seinem Hals hinunterzuschlucken.
„Ich hätte dich einfach nur gerne dabei“, sagte er nach einer halben Ewigkeit so leise, dass ich es kaum verstand.
Jetzt war ich diejenige, die schlucken musste. So emotional hatte ich ihn wirklich noch nie erlebt. Die Kette begann, eine angenehme Wärme auszustrahlen, die mich einlullte und sentimental machte. Auf der Stelle bereute ich es, dass ich so harsch zu ihm war. Und ich wurde neugierig, um was für ein Treffen es sich handelte. Nachzufragen, hätte meinen Stolz aber noch mehr gekränkt. Ich versuchte weiterhin, taff zu wirken.
Verdammt.
Warum musste ich auch immer in die Porzellanstube trampeln wie ein Elefant? Aber manchmal war es wirklich schwer vorstellbar, dass hinter seinem steinharten Auftreten ein Mensch steckte, der ebenfalls Gefühle besaß. Es war so schon schwierig genug, irgendwie mit ihm zu reden, geschweige denn, mit ihm zusammenzuarbeiten. Wir hatten in den letzten Wochen wirklich verdammt viel durchgemacht. Warum schockierte es mich nun so sehr, dass er einmal Gefühle zeigte?
Ein Räuspern ließ uns beide zusammenzucken.
Der Kellner stand vor unserem Tisch und stellte unsere Gerichte vor uns ab.
Ich wusste noch nicht einmal genau, was ich da vor mir hatte. Mister Ich-Weiß-Alles-Besser hatte einfach bestellt.
Es roch zumindest nicht schlecht. Trotz meines schlechten Gewissens konnte ich meinen skeptischen Blick nicht zurückhalten.
„Probier einfach und dank mir später.“ Da war wieder sein selbstsicheres Grinsen.
Arschloch. Wieso hatte ich eigentlich ein schlechtes Gewissen? Er hatte so ein gewaltiges Ego, irgendjemand musste ihn auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Ich versuchte alles zu ignorieren und probierte einfach.
Meine Güte.
Es war köstlich. Ich schloss kurz die Augen, kostete den Geschmack voll aus.
Sekunden später hörte ich mich wie von selbst sagen, dass ich ihn zu diesem dämlichen Treffen begleiten würde.
Er lächelte.

 


Text Nr. 20 wurde von der wundervollen Angela Best zu unserem #Projekt24 beigesteuert. Mehr über Angelas Schreiben findet ihr auf ihrer Facebook-Autorenseite und auf Instagram, außerdem betreibt sie den Buchblog „Wortgewaltig„.