„Was meint sie denn damit?“ Jochen sah verdattert auf die Küchentür, durch die seine Mutter eben verschwunden war.
Laura holte tief Luft, entschied sich dann aber, ihm nicht von ihrer Glanzleistung zu berichten. „Ach, nichts.“
„Okay…“ Er warf einen Teebeutel in eine Tasse und goss sie mit Wasser auf.
Laura sah ihm aufmerksam – und, wie sie hoffte, unerbittlich – in die Augen. „Du hättest mir ruhig erzählen können, dass deine Mutter zu uns kommt.“
„Hab ich das nicht?“ Er nahm sich einen Keks, biss hinein – und verzog das Gesicht. „Verflixt.. Tibetkekse…“
Laura konnte sich das Grinsen nicht verkneifen, wurde aber sofort wieder ernst. „Nein, hast du nicht.“ Sie holte tief Luft. „Und ich stand ziemlich blöd da, als ich ihr die Tür aufgemacht habe – sie wusste, wer ich bin und dass ich bei dir wohne, aber ich hatte keine Ahnung von gar nichts!“
„Nimm dir das nicht so zu Herzen.“ Sie traute ihren Augen kaum, als Jochen abwinkte. „Meine Mutter jettet das ganze Jahr rund um die Welt, von Interview zu Interview und von Story zu Story. Da geht oft etwas schief. Sie ist daran gewohnt, dass nicht immer alles tiptop organisiert ist. Sie ist dir sicher nicht böse, dass du nicht mit ihr gerechnet hast.“
„Bist du dir sicher?“
„Todsicher.“ Jochen hob die Teetasse und nippte vorsichtig daran. „Au, heiß.“
„Ich dachte, sie wäre du.“
Jochen grinste. „So lange du sie nicht mit einem Zungenkuss begrüßt hast…“
„Das habe ich nicht.“ Laura schüttelte den Kopf. „Stattdessen war ich splitterfasernackt.“
Ein leises Klirren ertönte, als die Teetasse auf den Tisch herabfiel und ihren Inhalt auf Jochen verteilte. Wie in einem schlechten Zeichentrickfilm verschwendete Jochen kostbare Sekunden damit, auf seine Hose zu starren, ehe er mit einem Schmerzensschrei aufsprang.
Laura versuchte gar nicht erst, nicht zu lachen.
Damit wären wir wohl quitt…
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Adventskalender 2014: Türchen 7
Laura runzelte die Stirn. „Ihr…Sohn?“ Lieber Gott, lass die Alte sich in der Tür geirrt haben…
„Ja.“ Die alte Frau nickte lächelnd. „Jochen ist mein Sohn.“
Vielen Dank, lieber Gott… Laura bemühte sich, zu lächeln.
„Jochen hat dir wirklich nichts von mir erzählt, oder?“ Die Alte seufzte, schüttelte den Kopf und ließ Lauras Hand nach einer halben Ewigkeit wieder los. „Wo hat der Bengel nur seine Manieren … und wo hab ich meine? Ich bin Dorothea. Freut mich, dich kennenzulernen.“
„Kommen Sie doch rein.“ Laura ging einen Schritt zur Seite und machte eine, wie sie hoffte, einladende Geste mit der Hand.
Dorothea ließ sich nicht zweimal bitten, sondern folgte Laura, stellte ihren Koffer in der Garderobe ab, zog Jacke und Schuhe aus und suchte sich wie selbstverständlich ein paar Hausschuhe aus dem Bestand für Gäste.
Laura sah ihr verdattert dabei zu.
Ein Koffer.
Wieso hat die Alte einen Koffer dabei?
Ganz ruhig, Laura. Vermutlich ist sie nur auf der Durchreise zur nächsten tollen Reportage im Ausland und das hier ist ein außerplanmäßiger Stopp, um sich zu verabschieden. Jochen hätte es doch erwähnt, wenn seine Mutter hier einziehen würde…
„Ach, tut das gut, nach einer so langen Fahrt wieder ins Warme zu kommen.“
Laura nickte verständnisvoll. „Möchten Sie einen Tee?“
„Ach ja, das wäre ganz toll.“ Dorothea lächelte. „Aber du musst mich nicht siezen. Dafür kennen wir uns wohl schon zu gut.“ Sie zwinkerte ihr zu.
Laura spürte, wie Hitze in ihre Wangen schoss.
„Lass mich den Tee kochen – ich weiß, wo alles ist. Dann kannst du dich in Ruhe anziehen. Wir treffen uns dann in der Küche.“
Laura nickte und sauste mit brennenden Wangen die Treppe hoch zum Schlafzimmer. Unten hörte sie Jochens Mutter mit dem Geschirr klappern. Sie schlüpfte schnell in Jeans und T-Shirt, sah kurz in den Spiegel und ordnete ihre Haare. Sie atmete tief ein. Du schaffst das, Laura.
Langsam stieg sie wieder die Treppe hinab und trat in die Küche. Der Wasserkocher war soeben fertig, Dorothea goss den Tee auf und stellte eine Schale mit Keksen auf den Tisch.
Laura setzte sich ratlos.
Eine Sekunde später stand vor ihr bereits eine dampfende Tasse samt darin schwimmendem Teebeutel. Dorothea nahm ihr gegenüber Platz und schnappte sich einen Keks.
„Die musst du unbedingt probieren – ich habe sie von meiner letzten Reise nach Tibet mitgebracht. Ich sollte dort eine Reportage über das Morgenritual des Dalai Lama schreiben…. Jedenfalls backen die Mönche dort diese Kekse nach einem 3000 Jahre alten Rezept und verwenden dazu nur Zutaten, die die Natur freiwillig gibt…“
Laura nahm vorsichtig einen Keks und knabberte daran. Er schmeckte nach gar nichts, war staub trocken und reizte sie im Hals. „Mm, schmeckt gut.“
„Im Ernst?“ Sie sah, wie Dorotheas Mundwinkel zuckten. „Ich hasse die Dinger. Aber ich wollte nicht mit leeren Händen kommen und sie hatten am Flughafen nur die….“ Die Mundwinkel gaben nach, und die alte Frau lachte.
Laura lachte mit.